Gemeinsames Statement der Evangelischen Jugend Oldenburg und der Evangelischen Jugend Hannover
Dieses Statement wurde im September 2021 während der vergangenen Vollversammlung der Evangelischen Jugend Oldenburg beim Ev. Jugendhof Sachsenhain von der Vollversammlung der Evangelischen Jugend Oldenburg und vom Vorstand der Evangelischen Jugend Hannover beschlossen.
Die Evangelische Jugend Oldenburg (ejo) und die Evangelische Jugend Hannover (ejh) positionieren sich anlässlich der Vorkommnisse im Landesjugendring Niedersachsen (LJR), den Aufnahmeanträgen der DITIB-Jugend (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) und Young Schura (Jugendorganisation des Landesverbandes der Muslime) betreffend.
In Jugendverbänden in ganz Deutschland entwickeln junge Menschen in ihrem Umfeld Projekte für mehr Beteiligung, Vielfalt und Toleranz. Dieses Engagement macht die Demokratie in Deutschland stark. Junge Menschen mit Fluchterfahrung oder Migrationshintergrund organisieren sich dabei selbst in unterschiedlichsten Institutionen zur Förderung des (inter-)religiösen Dialogs, zur Erhaltung der eigenen Kultur, aber auch zur Beratung und Hilfestellung Gleichgesinnter. Dabei sehen sich besonders muslimische Jugendverbände immer wieder mit Vertrauensfragen konfrontiert, stehen auf dem Prüfstand durch ihre Verbindung mit dem türkischen Staat, oder werden durch kritische Äußerungen medial diffamiert.
Zur Aktualität: Die Vollversammlung des Landesjugendrings Niedersachsen lehnte auf ihrer Mitgliederversammlung am 06. März 2021 die Vollmitgliedschaft der DITIB-Jugend Niedersachsen-Bremen ab. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde nicht erreicht, obwohl sich mehr als 50% für eine Aufnahme ausgesprochen haben. Im Rahmen der Debatte sah sich der deutsch-islamische Moscheeverband mit Vorwürfen zu antisemitischen und nationalistischen Tendenzen und Rassismus konfrontiert. Auch wurde starke Kritik an der Nähe zum Erwachsenenverband der DITIB und deren Ehren-Vorsitz Erdoğan geübt. Die Young Schura Niedersachsen, Jugendorganisation des Landesverbandes der Muslime (Schura), zogen daraufhin im Laufe der Diskussion ihren Aufnahmeantrag, noch vor Abstimmung, zurück. Nach reger, teils sehr angespannter Diskussion konnte abschließend keine Lösung erarbeitet werden. Der Vorstand des Landesjugendrings hat sich für eine Aufnahme der beiden Verbände ausgesprochen.
Jugendverband ist nicht gleich Erwachsenenverband
Unserer Meinung nach lässt sich die Eigenständigkeit eines Jugendverbandes nicht einfach von der Eigenständigkeit der Erwachsenenverbände ableiten. Junge Menschen mögen der gleichen Glaubensgemeinschaft oder dem gleichen Dachverband angehören. Dennoch können sie die (politische/religiöse) Ausrichtung ihrer Erwachsenenverbände kritisieren und sich dieser entgegenstellen. Einfach gesagt: Ein Jugendverband ist nicht gleichzusetzen mit dem dazugehörigen Erwachsenenverband.
Ein besserer Weg, die Ausrichtung und Strukturen eines Verbandes kennenzulernen, ist die Vernetzung mit ebendiesem. Ein solch offener, interessierter und konstruktiver Austausch ermöglicht es, sich ein aktuelles und umfassendes Bild der verbandlichen Strukturen zu machen.
In diesem Kontext sollten wir uns auch sprichwörtlich „an die eigene Nase fassen“. In einem früheren Statement schreibt die ejh, dass sich ein „Jugendverband in einem stetigen Lernprozess [befindet]: Demokratie, Selbstbestimmung und Teilhabe sind genauso wie Antidiskriminierung und Solidarität keine Selbstläufer.“ Dies bedeutet für uns, sich auch in den eigenen verbandlichen (sowie übergeordneten) Strukturen zu reflektieren und mögliche, durchaus schwerwiegende, Problemstellungen zu adressieren. Auch in den jetzigen „Erwachsenenvertretungen“ aktueller Mitglieder sind in der Vergangenheit durchaus rassistische Kommentare gefallen oder Meinungen vertreten worden, die nicht den Überzeugungen der Jugendvertretungen entsprachen und trotzdem wurde deswegen kein Verband ausgeschlossen.
Handlungsempfehlungen
Die DITIB-Jugend und Young Schura sollten ohne Vorurteile in ihrem Bestreben nach Interessensvertretung gefördert werden. In einem Leitsatz der ejo wird folgendes geschrieben: „ejo-wir ticken vielfältig“. Das bedeutet, dass wir Vielfalt als Bereicherung sehen, gegenseitige Akzeptanz fördern und alle Menschen wertschätzen und einladen sich einzubringen, um so voneinander zu lernen und aneinander zu wachsen. […]“ . Dieser Leitsatz steht für Vielfalt und Akzeptanz und dementsprechend für ein offenes und integratives Auftreten. Es ist unsere Ansicht, dass dies ein allgemeines Bestreben der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Menschen sein sollte. Eben jenes ist jedoch leider nicht auf der LJR VV geschehen.
Unsere Ansichten spiegeln sich auch in der Satzung des LJR wider. § 2 besagt: „Grundlage der Zusammenarbeit ist die gegenseitige Achtung der Mitgliedsverbände und ihrer Mitglieder, unabhängig von deren politischen, weltanschaulichen, religiösen und geschlechtlichen Unterschieden.“ Diesem Ziel ist die LJR VV nicht nachgekommen. Unserer Auffassung nach sollte Verbänden ein entsprechendes initiales Vertrauen entgegengebracht und der Weg für einen offenen Dialog bereitet werden.
Gleichermaßen verstehen wir echte politische Partizipation in jugendverbandlichem Konzept auf Augenhöhe. „ejo-wir ticken partizipativ“ steht für einen sachlichen und respektvollen Umgang.
Im Verlauf der Diskussion wurden, wie zuvor beschrieben, dem LJR unter anderem rassistische Strukturen vorgeworfen. Wir sprechen uns dafür aus, die Strukturen des LJR bezüglich Schubladendenken rund um Aufnahmeprozesse kritisch zu hinterfragen. Es zeigt sich, dass der Aufnahmeprozess unsachlich und stigmatisierend erscheint.
Der LJR mit seinen Mitgliedsverbänden hat in den letzten Jahren versäumt, in denen die DITIB-Jugend bereits Mitglied in der ANJ war, in einen Dialog einzusteigen, um klar und deutlich die Intentionen der DITIB-Jugend und anderen Anwärtern, wie die Young Schura zu verstehen und möglichst im Voraus Lösungsansätze für Probleme zu erarbeiten.
Die Aufarbeitung der Geschehnisse sollte ein Anstoß für einen Zukunftsprozess sein, damit wir besser auf neue Beitrittsanfragen reagieren können.
Fazit
Die Evangelische Jugend Oldenburg und die Evangelische Jugend Hannover stehen für ein friedliches Miteinander der Religionen sowie einen demokratischen und inklusiven Umgang in der Gesellschaft. Wir kritisieren den Umgang mit den muslimischen Jugendverbänden bei der letzten Vollversammlung des Landesjugendrings und wünschen uns einen differenzierteren und respektvolleren Umgang im Landesjugendring und in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.
Wir als Evangelische Jugend Oldenburg und Evangelische Jugend Hannover möchten in Zukunft selbstkritischer auf unsere Angebote für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene schauen, Vielfalt stärken und den Dialog fördern. Für ein starkes Miteinander der Jugendverbände und eine starke Demokratie.
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