Über 800 Konfis aus dem Oldenburger Land feiern 500 Jahre Reformation in der Lutherstadt
Dort, wo der Mönch Martin Luther vor 500 Jahren seine 95 Thesen angeschlagen haben soll, stehen sie in Scharen, sitzen in der Sonne, essen Eis, schießen Selfies vor der dunklen Bronzetür. Um die geschichtsträchtige Schlosskirche herum tummeln sich in diesen Tagen auffällig viele junge Menschen. Sie sind hier, um ein Stück Reformationssommer in der Lutherstadt Wittenberg mitzuerleben. An dem Ort, an dem 1517 alles in Bewegung kam.
Auch aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg sind Jugendliche in die Lutherstadt gereist. Lea ist eine von ihnen. Mit ihrer Konfirmandengruppe nimmt die 13-Jährige fünf Tage lang an dem KonfiCamp „trust and try“ teil. „Am ersten Abend haben wir mit allen anderen Konfis eine Art Willkommensparty gefeiert, dann eine Andacht gemacht, etwas Leckeres gegessen und unsere Zelte bezogen“, erzählt sie. In ein Übernachtungszelt passen etwa zwölf Konfis, allein aus Oldenburg sind 82 mitgekommen. Zählt man Metjendorf, Delmenhorst, Cloppenburg, Löningen und Dinklage dazu, sind es schon 427.
In einer Zeltstadt am nördlichen Stadtrand von Wittenberg leben die jungen Menschen auf Zeit zusammen. Begleitet von Pfarrerinnen und Pfarrern sowie Teamerinnen und Teamern beschäftigen sie sich laut dem Motto des Lern- und Freizeitwochenendes mit „vertrauen und ausprobieren“ – zwei Begriffen, die auch gut mit Martin Luther und seinen Weggefährten der Reformationsbewegung in einem Atemzug genannt werden können. Auf dem Programm der Konfis stehen Andachten und Workshops, aber auch Ausflüge in die Altstadt.
„Ich habe das Gefühl, die Konfis haben Lust auf das Programm, weil sie sehen, dass es eine gute Mischung ist zwischen miteinander arbeiten und Spaß haben, unterwegs sein können, frei gelassen werden.“ Matthias Hempel ist der Beauftragte der oldenburgischen Kirche für die Konfirmandenzeit. Das Camp sei in mehrerlei Hinsicht eine wichtige Erfahrung für Konfirmanden wie auch Pfarrerinnen und Pfarrer sowie Teamerinnen und Teamer gleichermaßen, sagt Pfarrer Hempel. „Es gibt Kreatives für die Hände, etwas zum Besinnen für das Herz und Kniffliges zum Nachdenken.“
Die Arbeit in der von zuhause vertrauten Konfigruppe stärke das Miteinander, gleichzeitig werde durch den Kontakt mit anderen Gruppen in Volleyballturnieren, spaßigen Wasserschlachten und fröhlichen Andachten aber auch der eigene Horizont erweitert. „Der Konfirmandenunterricht hat sich in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt“, sagt Hempel. „Mittlerweile gibt es verschiedene Konzepte und der Austausch mit Gemeinden aus der ganzen Bundesrepublik macht neugierig darauf, Neues auszuprobieren.“
An den insgesamt elf KonfiCamps und drei JugendCamps während des Wittenberger Reformationssommers beteiligen sich 18 Landeskirchen. Bis Mitte September werden rund 12.000 Konfirmanden erwartet, mehr als 800 davon aus über 27 Gemeinden der oldenburgischen Kirche. Auf der Wiese vor den Toren Wittenbergs stehen für sie insgesamt 160 Zelte bereit, darunter vier große Zeltkirchen mit Platz für bis zu 350 Personen sowie 132 Übernachtungszelte.
Die Tage im KonfiCamp beginnen früh und gehen lang, für Langeweile bleibt allerdings keine Zeit. Am ersten Tag haben Lea und ihre Gruppe bereits eine Menge erlebt. Erst sahen sie mit allen Zeltstadtbewohnern einen Film, in dem ein Mädchen von seiner Mutter unter enormen Leistungsdruck gesetzt wurde – eine Situation, in der sich viele Schülerinnen und Schüler wiedererkennen. In ihren gewohnten Gruppen vertieften die Konfis sodann das Gespräch über den Umgang mit solchen Lebenslagen und die Kraft, die man dafür aus dem Glauben ziehen kann. „Heute Vormittag war es schön, viele andere Gesichter zu sehen“, sagt Lea. „Und danach sind wir ins Asisi-Panorama gegangen und durften die Stadt erkunden“. Spannend finden sie und ihre Freunde, „mal all das in echt zu sehen, was wir sonst nur im Konfirmandenunterricht erzählt bekommen“.
Um 18 Uhr steht eine Andacht in der Schlosskirche an und nach dem Abendessen ein Planspiel mit dem Titel „Die Lutherverschwörung“, dessen Ziel es ist, den Reformator auf seinem Weg nach Worms in Schutzhaft zu nehmen. Und dann? Den Tag ausklingen lassen, chillen. Sogar Pfarrer Hempel und die Teamerinnen und Teamer haben ein paar entspannte Stunden in Aussicht. „Weil das Camp vom Gastgeberverein Reformationsjubiläum 2017 so gut organisiert ist, haben wir viel Zeit für unsere Konfirmanden“, sagt Hempel.
Die Atmosphäre sei besonders, die Konfis aufmerksam bei der Sache. Wie lautet also die erste Bilanz zum KonfiCamp in Wittenberg? Pfarrer Hempel überlegt nicht lange: „Es war ein Wagnis, so ein großes Projekt auf einer Wiese aufzubauen, aber es ist großartig, wie gut es funktioniert und wie viele aus unserer Kirche hierherkommen. Und auch wenn wir alle verschieden sind, scheint es jeder auf seine Weise zu genießen.“
Beitrag und Foto von Christina Özlem Geisler, Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg
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