’s ist Krieg! s‘ ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
und rede du darein! (Matthias Claudius)
Mit Bestürzung, Ratlosigkeit und Trauer verfolge ich die gewaltsamen Auseinandersetzungen in Israel.
Bestürzt – weil so unfassbar scheint, dass angesichts zwar stockender und nicht wirklich erfolgreicher, aber doch immerhin vorhandener Friedensbemühungen, eine solche Eskalation mit so viel Gewalt und Tod überhaupt möglich war und ist.
Ratlos – weil der Konflikt zwischen Juden und Arabern im Heiligen Land angesichts der Geschichte der vergangenen Jahrzehnte und der Verfahrenheit in der Gegenwart schier unlösbar erscheint.
Traurig – nicht nur, weil die für diesen Sommer geplante Begegnung von Jugendlichen aus Oldenburg und aus Mi’Ilya im Norden Israels angesichts der Situation in Israel abgesagt werden musste, sondern vor allem angesichts des Leids, der Not und der Angst der Menschen – der Juden, der Muslime, der Christen, der Araber und der Israelis.
Bestürzt aber auch angesichts mancher Parolen und schnellen Schuldzuweisungen, mit denen Menschen hierzulande aufwarten. Ob pauschal der Staat Israel oder die Palästinenser als Schuldige ausgemacht werden; ob Judenhasserinnen und Hasser sich mit Rechten und Linken verbünden oder ahnungslose Islamfeindlichkeit das Wort ergreift – ich bin fest davon überzeugt, dass einfache Schuldzuweisungen an der Sache vorbei gehen und letztlich nicht mehr, sondern weniger Frieden schaffen, nicht weniger, sondern mehr Hass und Gewalt nach sich ziehen werden.
Die Geschichte des Landes Israel und der dort lebenden Völker, Volksgruppen und Religionen ist komplexer und komplizierter, als dass sie in einfache Parolen gefasst oder mit Schwarz-Weiß-Malerei auch nur annähernd treffend beschrieben werden könnte.
Deshalb kann und ich will ich mich nicht festlegen und die einen als Täter, die anderen als Opfer ausmachen.
Opfer sind alle, die sterben, alle, die leiden, alle, die ihre Tage und Nächte in Angst verbringen, ganz gleich auf welcher Seite des Kofliktes sie stehen.
Was den Blick in die Geschichte betrifft:
Die Juden haben ein geschichtliches Recht auf ihr Heiliges Land und sollen sicher und in Frieden darin leben – aber das ist kein Grund für Hass und Gewalt.
Die Christen haben ein geschichtliches Recht auf ihr Heiliges Land und sollen sicher und in Frieden darin leben – aber das ist kein Grund für Hass und Gewalt.
Die Muslime haben ein geschichtliches Recht auf ihre Heiliges Land und sollen sicher und in Frieden darin leben – aber das ist kein Grund für Hass und Gewalt.
Was den Blick auf uns hier betrifft und die Frage, ob und wenn ja was wir tun können, wenn wir denn überhaupt etwas tun können:
Die Christen verdienen unser Mitgefühl und unsere Gebete, denn sie sind unsere Schwestern und Brüder im Glauben.
Die Juden verdienen unser Mitgefühl und unsere Gebete, denn sie sind und bleiben unseres Gottes erwähltes Volk.
Die Muslime verdienen unser Mitgefühl und unsere Gebete, denn auch sie haben Abraham zum Vater und Sarai zur Mutter.
Die Opfer auf allen Seiten verdienen unser Mitgefühl, unsere Solidarität und unsere Gebete, denn unser Gott ist ein Gott der Schwachen und Geknechteten, ein Gott, der den Tod durchlitt, um ihn zu überwinden zu neuem Leben.
Die Täter auf allen Seiten verdienen unsere Kritik, unsere mahnenden Worte und unsere Gebete, denn wir vertrauen darauf, dass unser Gott Menschen verwandeln und zu Werkzeugen seines Friedens machen kann.
Bestürzt, ratlos und voller Trauer kann, davon bin ich fest überzeugt, unser Wort sich nur an unseren Gott und in seinem Sinne an unsere Mitmenschen auf allen Seiten richten, dass wir und alle Menschen zu Werkzeugen seines Friedens werden.
Alle Menschen aber, die Macht haben, Gewalt zu beenden und Frieden zu schaffen, fordere ich gemeinsam mit allen, mit denen ich in diesem Ruf verbunden bin, auf ihre Macht zu nutzen, um Krieg, Gewalt und Leid zu beenden und Frieden zu schaffen. Nicht, indem Gewalt mit neuer Gewalt, Hass mit neuem Hass, Angst mit neuer Angst und Leid mit neuem Leid beantwortet wird. Frieden schafft man nur durch Frieden. Und so an alle, die Ihr Macht habt, die Welt zu verändern: Schafft Frieden!
Dr. Sven Evers, Landesjugendpfarrer
(Foto: The Peace Sculpture / Derrick Richardson-Lee; Photo by George Rex)
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