Backstage

Papier ist geduldig. Eine Umweltgeschichte

Vor rund einer Woche hat die Synode der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg einstimmig das „Integrierte Klimaschutzkonzept 2012“ verabschiedet. Damit will unsere Kirche Ernst machen mit dem Thema Umweltschutz auf allen Ebenen. Bau, Beschaffung, Mobilität, das Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – alle Bereiche werden erfasst. Das ist gut und vorbildlich.

Rückblende: Wir schreiben das Jahr 1989 …

Am 10. Oktober 1989, knapp einen Monat vor dem Fall der Mauer, schickt der damalige Vorsitzende der Jugendkammer Uwe Martens im Auftrag des Geschäftsausschusses den „Antrag der Jugendkammer zur Benutzung von Umweltschutzpapier“ an den Oberkirchenrat. Dort heißt es:

„In einer Zeit, in der die Notwendigkeit von aktivem Umweltschutz von nahezu allen Verantwortlichen in Kirche und Gesellschaft anerkannt wird, sollten praktische Schritte der Kirche und der kirchlichen Verwaltung nicht ausbleiben. Kirchliche Einrichtungen sollten in allen Bereichen mögliche, sinnvolle umweltschonende Alternativen nutzen und propagieren und damit verdeutlichen, daß das Problem der Ausbeutung und der Zerstörung der Umwelt alle angeht und daß jeder einen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung leisten kann. Nur eine Kirche, die bereit ist, selbst Zeichen zu setzen, umzudenken, andere Wege zu beschreiten, steht glaubwürdig im konziliaren Prozeß für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.“

[Damals, vor der Rechtschreibreform, wurden manche Wörter noch mit „ß“ geschrieben. Letztes Jahrhundert eben.]

Am 26. Oktober 1989 antwortet der Oberkirchenrat:

„Wir danken für die Übersendung des Schreibens der Jugendkammer … und teilen Ihnen hierzu mit, daß wir schon immer bemüht waren, in allen Bereichen, in denen dieses  uns möglich erschien, umweltschonendes bzw. Recyclingpapier einzusetzen. Das vorgenannte Schreiben haben wir aber nochmals zum Anlaß genommen, alle Bereiche unseres Hauses dahingehend zu untersuchen, ob Umweltschutzpapiere noch mehr zum Einsatz gebracht werden können.“

Offenbar nicht mit nachhaltigem Erfolg. Anfang der 90er Jahre geriet sogar das Landesjugendpfarramt unter Beschuss einiger Kreisjugendkonvente. Der KJK Varel hatte die Faltblätter mit dem Jahresprogramm des Landesjugendpfarramtes zurückgeschickt mit dem Hinweis, derartige Druckerzeugnisse wolle man fortan nur noch verteilen, wenn Umweltschutzpapier verwendet würde. Das Landesjugendpfarramt hat daraufhin begonnen, Kopier- und Druckpapier nicht mehr über den Oberkirchenrat zu beziehen, sondern selber Recyclingpapier einzukaufen. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Der Oberkirchenrat verbot dem Landesjugendpfarramt schlichtweg die Nutzung von Recyclingpapier. Begründung: Das De-Inking-Verfahren zur Herstellung solcher Papiere sei umweltbelastend, durch Verstaubung verursachten diese Papiere erhöhte Wartungskosten bei Druckern und Kopierern und das Recyclingpapier sei nicht hinreichend alterungsbeständig.

Im Oktober 1993 schrieb die Jugendkammer erneut an den Oberkirchenrat und die Synode und forderte dazu auf, die Nutzung von Recyclingpapier wieder zu erlauben. Der Oberkirchenrat zeigte sich gesprächsbereit: Auf Vermittlung des Landesjugendpfarramtes fand ein Gespräch der Verantwortlichen mit Papier-Experten der Umweltorganisation Greenpeace statt. Die Fachleute machten deutlich, dass es sehr wohl saubere Recyclingpapiere gibt, die weder Kopierer verdrecken noch nach 20 Jahren zu Staub zerbröseln. Schon damals, 1993.

Na ja, einen kleinen Erfolg gab es zunächst: Der Oberkirchenrat erklärte sich bereit, fortan hochwertiges, chlorfrei gebleichtes und mit Fasern aus nachhaltigem Anbau produziertes Papier zu nutzen. In einer Zeit, in der in kommunalen Verwaltungen nahezu flächendeckend schon mit Recyclingpapier gearbeitet wurde. Aber Immerhin. Nach wenigen Jahren jedoch war auch diese Zusage wieder vergessen: Fortan wurde wieder billig und schädlich eingekauft. [Das Landesjugendpfarramt lässt übrigens seit der Zeit Broschüren und andere Drucksachen mit hohen Auflagen zu 100 % auf Recyclingpapier produzieren, zumeist bei der Druckerei Gegendruck in Oldenburg. Die druckten nämlich schon umweltschonend, als viele andere Druckereien das noch nicht wollten.]

Nun, im Jahr 2012, steht im integrierten Klimaschutzkonzept unserer Kirche im Abschnitt „Klimaschonende Beschaffung“ zum Thema „Umstellung auf Recyclingpapier“ auf Seite 68: „Bundesweite Wettbewerbe von Unternehmen und Kommunalverwaltungen (z.B. Stadt Oldenburg) zeigen, dass eine Umstellung auf 100 Prozent Recyclingpapier zunehmend machbar ist.“ Es wird empfohlen, die derzeitige Quote von rund 22 %-Recyclingpapier (inkl. Toilettenpapier) deutlich zu erhöhen. „Für Büropapier gilt: Hingegen oftmals verfestigter Meinung sind moderne Drucker und Multifunktionsgeräte auch für dieses Papier ausgelegt.“ (ebd.)

Die Evangelische Jugend ist ihrer Zeit eben voraus. Und zwar mehr als 20 Jahre. Und: Recycling-Papier ist geduldig.

Müssen wir noch ausdrücklich erwähnen, dass wir uns auf dieses Klimaprojekt freuen und es nach Kräften unterstützen werden?

1 Kommentar zu “Papier ist geduldig. Eine Umweltgeschichte

  1. Fred Schröder

    Hallo Uwe,

    in diesem Artikel kann man wieder einmal erkennen und sich nur wundern wieviel Aufwand, Energie, Kraft und Zeit (also auch Ressourcen die wie wir alle wissen nur begrenzt verfügbar sind) von Menschen, Organisationen und Einrichtungen jeglicher Art eingebracht wird (verpulvert) um eine Sache die sinnvoll ist NICHT zu tun, anstatt die Energie und Zeit dafür zu nutzen wie man die Dinge anders im Sinne von Klima- und Umweltschutz anpacken könnte.

    Eine Tat bringt mehr als 1000 Worte!

    In diesem Sinne….

    Ein schönes Wochenende

    Fred

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