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Tobi fuhr zum Regenbogen

Der verspätete Start am Morgen des 1. August 2011 verhieß für Tobi und die anderen nichts Gutes: Bereits auf dem Bahnsteig in Bad Zwischenahn verlor die zehnköpfige Expedition der Evangelischen Jugend schon eine Viertelstunde. Dieser Zeitverlust sollte nicht der Einzige bleiben. Aber durch geschickte Umsteigemanöver konnten sie wieder ausgeglichen werden. Am Dienstagabend – pünktlich um 19.11 Uhr – traf die Gruppe unter Leitung von Laura Best (Petersfehn) und Volker Austein (Edewecht) im Basisbahnhof ein. Im Rahmen einer unerhörten Ferienpassaktion hatten sie verschiedene niedersächsische Klimazonen und zwei Rushhours und einen Baderückreiseverkehr durchquert und damit die erste dokumentierte komplette Niedersachsenumrundung nur mit der Bahn geschafft.

Über Leer – Rheine – Osnabrück – Herford – Altenbeken und Holzminden führte die Route zum Verkehrsknotenpunkt Kreiensen. Nach den erschütternden Anblicken, die sich auf einigen fast leblosen Bahnhöfen boten, schien hier Volksfeststimmung: Hunderte von jungen und alten Menschen vertrieben sich die Zeit in der Spätsommersonne. Aber der Schein trog. Anlass der Versammlung war eine darnieder liegende Oberleitung. Der Besuch des anvisierten südlichsten Punktes Göttingen musste daraufhin schweren Herzens aufgegeben werden. Statt dessen ging es wieder hinein in den gerade verlassenen Zug und weiter ins Biwak nach Bad Gandersheim.

Am zweiten Tag zeigte sich bei den meisten Umrundern professionelle Routine, wenn es ums Ein- und Aussteigen, das Verstauen des Gepäcks oder die Suche nach freien Plätzen ging. Über Seesen und Braunschweig gelangte die Gruppe zum Bahnhof Wittingen, ein Anblick der sich wahrscheinlich auf Grund einer freizeitpädagogischen Massnahme der Deutschen Bahn besonders einprägte. Hier, an einem Ort, an dem schon direkt neben dem Gleis Gras über Geschichten wuchs, die sich nie zutragen würden, lud die Fahrplanabteilung zu einer 45 minütigen Meditationsübung ein. Wie weise diese Ruhephase im größeren Zusammenhang angelegt war, erschloss sich erst eine Stunde auf dem Bahnhof Uelzen, an dessen Gleisen es zu einer intensiven Begegnung mit jungen Heavy Metal Fans auf dem Weg ins gelobte Wacken-Land kam. Von Hamburg-Harburg aus war es nur noch ein Katzensprung hoch in den sandsturmgeschüttelten Norden nach Cuxhaven. Viel Zeit blieb nicht. Schnelle Fotos, ein bisschen posieren, Autogramme geben. Dann wurde wieder die Heimat angesteuert, begleitet von einer dicht gedrängten Menge, von denen viele nicht wussten, wer sich da erschöpft und durchgeschwitzt zwischen sie gemischt hatte.

Erfahrene In-Bahn-Spezialisten hatten sich skeptisch zu der Frage geäußert, ob die Elf- bis Vierzehnjährigen den Herausforderungen gewachsen sein würden. Aber es zeigte sich, dass sie doch über genügend Durchhaltevermögen und überdurchschnittliches Improvisationstalent verfügten, um mit unberechenbaren Klimaanlagen, misstrauischen Einbahnischen oder hastigen Umsteigemanövern fertig zu werden. So gab es während der Expedition immer wieder Aufmunterung und Respektsbekundungen für die Teilnehmenden. Einzig bedauerlich, dass die mitgeführten Glasperlen nicht gegen einbahnisches Kunsthandwerk getauscht werden konnte. So bleiben der Nachwelt lediglich die Tondokumente und Lokbuchaufzeichnungen, ein paar verblichene Niedersachsentickets und Fotos der Umsteigebahnhöfe als Zeugnisse einer einzigartigen Reise.

Volker Austein

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