Deutsche und Französische junge Erwachsene erleben ehrenamtliche Arbeit in China – Ein Bericht von Catharina Covolo, Ehrenamtliche der ejo
Vielleicht ist ein beliebtes Wort in China. Zumindest, wenn Chinesen mit Nicht-Chinesen auf Englisch kommunizieren. Besonders häufig wird es verwendet, wenn das Gegenüber Fragen zum Programm hat und eventuell eine Programmänderung wünscht. Dabei gelernt habe ich, dass Entscheidungen nicht selbstverantwortlich getroffen werden können, sondern immer mit jemandem abgesprochen werden müssen, der in der Hierarchie über einem selbst steht. Eine nicht unbedeutende, interkulturelle Erfahrung, die auch im Zusammenhang mit dem Thema der Jugendbegegnung stand.
So erlebt habe ich dies als Teilnehmerin einer trilateralen Jugendbegegnung, die neben dem Kennen lernen der jeweiligen Länder im Besonderen den Austausch über ehrenamtliches Engagement in Deutschland, Frankreich und China zum Thema hatte.
Schon im August 2010 fanden die ersten beiden Phasen dieses trilateralen Austausches zum Thema Freiwilligenarbeit in Paris und Berlin statt, den das DFJW in Kooperation mit seinen Partnern aej e.V. und Union Chrétiennes de Jeunes Gens France (UCJG) durchgeführt hat. Die Reise der deutsch-französischen Gruppe nach Peking und Wuhan im April 2011 war nun die dritte Phase der Begegnung, die federführend vom Allchinesischen Jugendverband (All China Youth Federation) organisiert war. Während jeder Phase gab es Besuche von lokalen Projekten der beteiligten Verbände sowie Diskussionen mit Vertreterinnen und Vertretern der nationalen Jugendpolitik über die Möglichkeiten und Bedingungen ehrenamtlichen Engagements.
Catharina Covolo (2.v.l.) hat einer trinationalen Begegnung in China teilgenommen
Während sich ehrenamtliche Arbeit von jungen Menschen in Deutschland und Frankreich vergleichsweise ähnlich ist, so unterscheidet sie sich in China deutlich. Ehrenamtliche Arbeit für die Gesellschaft hat dort erst mit den Olympischen Spielen 2008 an Bedeutung gewonnen. Seitdem engagieren sich viele, besonders junge Menschen, freiwillig im Bereich von sportlichen und anderen Großveranstaltungen und in karitativen Projekten. In chinesischen Familien und Schulen wird Kindern und Jugendlichen zudem vermittelt, dass es wichtig und gut ist, sich in der Gesellschaft zu engagieren. Diese Art von ehrenamtlichen Tätigkeiten wird auch vom chinesischen Staat unterstützt und anerkannt.
Zum Allchinesischen Jugendverband gehören neben der Jugendarbeit in den verschiedenen chinesischen Provinzen auch Studierende an Universitäten und Schülerinnen und Schülern, die sich dort in Freiwilligengruppen engagieren. Somit repräsentiert er als staatliche Organisation junge Menschen in China.
Jugendarbeit jedoch, die Partizipation und selbstverantwortliches Handeln von Jugendlichen fördert, gibt es nicht. Auch eigene Ideen für Projekte oder zu Themen können so nicht umgesetzt werden. Jugendliche und junge Erwachsene können in der Regel nur „Helfertätigkeiten“ übernehmen und Anweisungen umsetzen, die sie von Leiterinnen und Leitern der Jugendverbände erhalten. Dabei sind es gerade die Möglichkeiten zur Partizipation und eigenen Gestaltung, die es Jugendlichen ermöglichen, selbst Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen zu können und aktiv die Gesellschaft mitzugestalten. Gibt es diese Möglichkeiten nicht, so kann auch das eigene Handeln nicht kritisch reflektiert werden. Diese Unterschiede zwischen ehrenamtlichem Engagement in Deutschland/ Frankreich und China mögen auf kulturelle Unterschiede zurückzuführen sein, aber sind auch die verschiedenen politischen Systeme haben an Anteil an diesen Ausrichtungen von ehrenamtlicher Arbeit.
Die Teilnehmenden haben während aller drei Phasen chinesische Jugendliche aus Peking und Wuhan kennen lernen können ebenso wie Themen, die sie in ihrem Leben beschäftigen. Dabei gab es interessante Gespräche und Diskussionen, die in China jedoch selten in Gruppen während des Programms stattgefunden haben, sondern in den informellen Teilen des Programms. Daher gab es einen Austausch über das eigentliche Thema der Begegnung nur während weniger Programmpunkte zugunsten vieler Veranstaltungen mit offiziellen Vertreterinnen und Vertretern unter anderem von Universitäten, Schulen und Stadtteilzentren, die oft jedoch wenig nachhaltig für die Teilnehmenden der Begegnung waren.
Bleiben wird von dieser Begegnung und den Erfahrungen vieles. Zum einen die Beziehungen zu den Teilnehmenden, die Eindrücke der chinesischen Kultur, die im Vergleich mit der deutschen und französischen Kultur deutlich anders ist, aber insbesondere auch die Erfahrungen aus Diskussionen über freiwilliges, ehrenamtliches Engagement werden bleiben. Ambivalent sind diese oft, da vielen Menschen, auch in ihrer freiwilligen Arbeit ein selbst bestimmtes Handeln vorenthalten wird. Gerade dieses versucht aber auch der Staat zu unterbinden hierarchisiert daher alle Teile der Gesellschaft. Dies beginnt schon in Schulen und hat zur Folge, dass das kleine Wort „vielleicht“ eine so große Bedeutung entfalten kann.
0 Kommentare zu “Das große Vielleicht”